Aufgrund der Wichtigkeit und der Brisanz des Themas wird unter diesem Abschnitt im Speziellen auf die Videoüberwachung im Nachbarschaftsbereich eingegangen. Dabei gilt, dass die unter «Für Betreiber» angeführten Grundsätze und Voraussetzungen zu berücksichtigen sind. Hier soll lediglich auf ein paar Besonderheiten und Probleme eingegangen werden.
Bitte beachten Sie, dass hier Unterschiede und Abgrenzungen nur allgemein formuliert und dargelegt werden können. Konkrete Fragestellungen zur Zulässigkeit von Videoüberwachungen sind immer im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort zu beurteilen.
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Haushaltsausnahme
Aufnahmen zum ausschliesslich familiären und privaten Gebrauch fallen nicht unter den Anwendungsbereich der DSGVO. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Aufnahmen von einem privaten Grill- oder Familienfest gemacht werden und diese nicht veröffentlicht oder an einen unbestimmten Kreis von Personen weitergegeben werden.
Videoaufnahmen, deren Zweck hingegen Sicherheit, der Schutz des Eigentums oder Beweissicherung ist, können nicht unter diese Ausnahme fallen, denn der Zweck impliziert eine Weitergabe an Strafverfolgungsbehörden und/oder Versicherungen. Somit ist kein ausschliesslich persönlicher oder familiärer Gebrauch gegeben. Kameras, welche im Aussenbereich fix an Hauswänden, Mauern, Zäunen oder Pfosten angebracht werden, sind daher grundsätzlich nicht von der Haushaltsausnahme gedeckt. Dies ist auch der Fall, wenn die Kameras ausschliesslich auf das eigene Grundstück gerichtet sind. Ob nur der Garten hinter dem Haus oder die Garageneinfahrt erfasst sind, ist irrelevant. Die Abgrenzung begründet sich durch den Zweck und nicht die territoriale Erfassung.
Unabhängig des Zwecks der Videoüberwachung ist die Haushaltsausnahme nie anwendbar, wenn von einer fix installierten Kamera öffentlich zugänglicher Raum (z. B. Strasse, öffentlicher Parkplatz oder Tiefgarage) erfasst wird. Dies wurde vom EuGH in einem entsprechenden Urteil („Rynes Fall“) festgehalten.
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Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO
Ist die DSGVO anwendbar, so sind neben allen anderen Punkten insbesondere auch die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO zu berücksichtigen. Siehe hierzu unter „Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO". Dieser Informationspflicht kann am einfachsten nachgekommen werden, indem dieselben Hinweisschilder genutzt werden, welche bei der Überwachung öffentlich zugänglicher Orte vorgeschrieben sind. Siehe hierzu „Hinweisschilder – Muster" und „Voraussetzungen für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte".
Jeder Verantwortliche, dessen Haus zum Zweck Sicherheit, Schutz des Eigentums und/oder Beweissicherung videoüberwacht wird, muss daher über die Datenverarbeitung informieren. Dies hat zu erfolgen bevor Betroffene den überwachten Bereich betreten.
Da eine Videoüberwachung auch einen präventiven Charakter hat, ist eine Kennzeichnung derselben konsequent.
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Öffentlich zugänglich
Eine Erläuterung wie auch Definition öffentlich zugänglicher Räume ist hier zu finden. Inwiefern privates Wohneigentum darunter fällt, wird nicht erläutert. So gilt es hier festzuhalten, dass die Datenschutzstelle zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgeht, dass Privateigentum, welches nicht gewerblich genutzt wird, sondern ausschliesslich als privater Rückzugsort dienen soll, nicht öffentlich zugänglich ist. Dabei ist es irrelevant, ob mehrere Parteien einen gemeinsamen Bereich nutzen (Mehrfamilienhaus/Wohnblock) oder ob es sich um ein Einfamilienhaus handelt. Von der Argumentation umfasst ist grundsätzlich das gesamte im Privateigentum stehende Grundstück.
Beispiele:
- Ein Einfamilienhaus ist nicht öffentlich zugänglich.
- Ein Mehrfamilienhaus ist nicht öffentlich zugänglich. Die Zulässigkeit einer Kamera, welche Gemeinschaftsbereiche in einem Mehrfamilienhaus erfassen, richtet sich neben der Datenschutzgesetzgebung auch nach anderen Voraussetzungen, welche zum Beispiel aus dem Mietrecht, dem Personen- und Gesellschaftsrecht oder den Regelungen zum Stockwerkeigentum entstammen.
Werden jedoch Bereiche geschäftlich genutzt und ein Kunden-/Lieferantenverkehr findet statt, so sind diese Bereiche als öffentlich zugängliche Räume zu qualifizieren. Die Qualifikation des geschäftlich genutzten Bereichs als öffentlich zugänglich richtet sich wiederum nach den allgemeinen Kriterien.
Beispiel:
Ein Einfamilienhaus, welches von einer Familie bewohnt wird, ist nicht öffentlich zugänglich. Wird im selben Haus jedoch auch eine Wohnung vermietet, welche als Arztpraxis, Beraterbüro, Anwaltskanzlei etc. genutzt wird, so ist der gemeinschaftlich genutzte Bereich grundsätzlich als öffentlich zugänglicher Raum zu qualifizieren.
Die Qualifikation als öffentlich zugänglicher Raum kann zeitlich begrenzt sein. So ist eine öffentliche Zugänglichkeit eines Ladenlokals nur während den offiziellen Öffnungszeiten gegeben.
Beispiel:
Ist die Arztpraxis, das Beraterbüro, die Anwaltskanzlei etc. von 8.00 bis 17.00 Uhr geöffnet, so ist der mit der Wohnung gemeinschaftlich genutzte Bereich lediglich während den Öffnungszeiten öffentlich zugänglich.
Wald, egal ob öffentlich oder privater Wald, ist für die Allgemeinheit grundsätzlich öffentlich zugänglich. (Kann nur aufgrund öffentlichen Interesses eingeschränkt werden (Art. 15 WaldG)).
Beispiel:
Wald, welcher sich auf Privatgrund befindet, ist öffentlich zugänglich.
Die Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen Bereichen ist meldepflichtig. Weitere Informationen hierzu siehe oben unter „Meldepflicht".
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Art der Kamera
Bei der Frage nach der Art der Kamera handelt es sich im Grunde genommen nicht um eine datenschutzrechtliche Fragestellung. Aufgrund des Zusammenhanges soll hier dennoch kurz darauf eingegangen werden.
Selbst wenn eine Videoüberwachung datenschutzkonform oder allenfalls aufgrund der Haushaltsausnahme nicht von der Datenschutzgesetzgebung erfasst ist, bedeutet dies nicht, dass keine Privatsphärenverletzungen gegeben sein können. So ist beispielsweise gerade bei der Wahl der Kameras Vorsicht geboten. Denn wird durch die Kamera an sich ein sogenannter „Überwachungsdruck" erzeugt, so kann von betroffenen Personen eine Persönlichkeitsverletzung gemäss Art. 38 ff. Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) geltend gemacht werden. Die Beurteilung obliegt jedoch nicht der Datenschutzstelle, sondern muss auf dem Privatklageweg durchgesetzt werden. Diese Informationen sind ohne Gewähr.
Ein Überwachungsdruck kann zum Beispiel dann bestehen, wenn nicht ersichtlich ist, was von einer Kamera erfasst wird, oder wenn der Fokus ohne grösseren Aufwand und von aussen kaum ersichtlich angepasst werden kann. Dome-Kameras sind aus diesem Grunde im Bereich von Privathäusern und Nachbarschaften äusserst kritisch zu sehen.
Kameraattrappen fallen zwar nicht in den Anwendungsbereich des DSG und der DSGVO, dennoch können auch diese einen Überwachungsdruck erzeugen und widerrechtlich sein.
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Türspione
Türspione mit einer eingebauten Kamera, welche es dem Haus- oder Wohnungsbesitzer erlauben, auf einem eingebauten Bildschirm Zugriff auf die Aufnahmen zu erlangen, werfen gewisse datenschutzrechtliche Fragen auf. Es sind besondere Kriterien zu berücksichtigen: So dürfen im Rahmen der Zweckbindung lediglich jene Daten erfasst und verarbeitet werden, welche für die Zweckerreichung notwendig sind. Dies bedeutet, dass aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Videoaufzeichnung, also eine Speicherung, grundsätzlich nicht nötig ist. Ein Zugriff auf die Videobilder ist zudem nur dann zulässig, wenn ein Anlass gegeben ist, sprich, wenn zum Beispiel an der Haustür geklingelt oder geklopft wird. Wie dies technisch ausgestaltet ist, ist im Rahmen des Datenschutzrechts irrelevant. Relevant ist die faktische Nutzung des Türspions.
Zu beachten ist jedoch, dass die technische Ausgestaltung im Rahmen des Mietrechts, des Privatsphärenschutzes nach Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) sowie nach Regelungen des Stockwerkeigentümerrechts sehr wohl von Relevanz sein kann. Dies ist gesondert zu beurteilen. Hierfür ist die Datenschutzstelle nicht zuständig.
Der deutsche Bundesgerichtshof hat zum Beispiel einen Türspion als zulässig angesehen, welcher eine Bildübertragung nicht ohne vorheriges Anklingeln ermöglicht, die Videoanlage eine maximale Nachlaufzeit von einer Minute zulässt und die Anlage kein dauerhaftes Aufzeichnen von Bildern, etwa durch Anschluss weiterer Geräte, erlaubt. Die Einstellungen des Türspions könnten zwar durch einen Fachmann nachträglich angepasst werden, das blosse Risiko einer Beeinträchtigung stelle jedoch noch keine Beeinträchtigung dar. Dieses Urteil stammt aus dem Jahr 2011. Daher ist zu berücksichtigen, dass Türspione in der Zwischenzeit grosse technische Fortschritte gemacht haben. So sind etwaauch digitale Türspione beliebt, welche eine direkte Übertragung auf ein Smartphone ermöglichen. Daher sollte bei einem Kauf insbesondere bedacht werden, dass nicht alles was technisch möglich ist, auch rechtlich bedenkenlos genutzt werden kann.
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Für Betroffene
Fühlen Sie sich von einer Videokamera, welche in Ihrer Nachbarschaft angebracht ist, in Ihrer Privatsphäre eingeschränkt?
Dann raten wir zu folgendem Vorgehen:
- Reden. Ein klärendes Gespräch kann Klarheit schaffen wie auch den Frieden in der Nachbarschaft wahren oder wiederherstellen.
- Sollte dies nicht gewünscht, möglich oder nicht zielführend sein, so stellt die Datenschutzstelle ein Schreiben zur Verfügung, welches unterzeichnet oder anonym dem Kamerabetreiber zugestellt werden kann.
- Eine Beschwerde kann jederzeit bei der Datenschutzstelle eingereicht werden. Dies kann informell (telefonisch, E-Mail, Brief) oder formell (über das Beschwerdeformular) geschehen. Für weitere Informationen können Sie gerne die Datenschutzstelle kontaktieren.
Der Privatklageweg wie auch strafrechtliche Anzeigen sind allenfalls möglich. Hierfür ist die Datenschutzstelle nicht zuständig.